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Elternhaus

Das Limpachtal: ein von Wäldern umsäumtes, von Wiesen und Äckern belebtes Tal, durchzogen vom hellen Band der Strasse und von dem still dahinfliessenden Limpach. Dieses unscheinbare Tal, ohne Ausblick auf die Schneeberge oder einen See, war die Heimat Rudolf Mingers.
 
Am 13. November 1881 war wohl keinem bewusst, dass gerade ein Junge das Licht der Welt erblickte, der viele Jahre später zu einer der wichtigsten Persönlichkeiten der Eidgenossenschaft zählen würde.
 
Rudolf Minger wurde im grossväterlichen Heimwesen in Mülchi geboren. Das Geburtshaus Mingers brannte Jahre später vollständig ab.
1883 zog die Familie Minger auf „die Mühle zu Mülchi“, das Gut umfasste rund 28 Jucharten, wovon nicht ganz 4 Jucharten Wald. Die Mühle selber war nicht mehr in Betrieb.

Mit seinen beiden Schwestern Ida und Emma verbrachte er auf dem elterlichen Bauernhof eine schöne Jugendzeit. Als Stammhalter und Jüngster der Familie galt der kleine Ruedeli sehr viel bei Vater Rudolf Minger und Mutter Anna Maria Minger-Moser. Mutter und Sohn waren sich ganz besonders zugetan.

«Als Burebueb bin i ufgwachse. Wie mängisch bin i doch am Bach noh gschländeret, wo a üsem Hus verbygloffen isch. Im Hustage han i die erschte Wydechatzli u ds erschte grüne Laub bewunderet. Schlüsseli u Geisseblueme han i gsuecht u dervo der Muetter es Bluemestrüssli gmacht… Güggelet han i, wie d’Vögeli nischte, u zu de Glungge bin i düsselet, für dem Trybe vo de Fische zue z’luege…  wie isch doch die Bueben- u Meitschizyt öppis Schöns, wo no d’Eltere für eim sorge, wo me nume cha näh, ohni sälber viel müesse z’gäh“,  dies ein Auszug aus einer Schulfunkrede Mingers im Jahr 1939.

Die Primarschule besuchte er in Mülchi und die Sekundarschule („seine Hochschule“, wie er sie selber immer nannte) im eine Marschstunde entfernten Fraubrunnen.
Der kleine Ruedi Minger war ein aufgewecktes und begabtes Bürschlein, dem die Schule weder Mühe noch Sorgen bereitete.

Im Hause Ruedi Mingers herrschte ein guter, vielleicht sogar ein etwas vornehmer Ton. Es wurde weder grob geredet noch geflucht. Eine natürliche, schlichte Frömmigkeit bildete den Grundstein des Zusammenlebens. Es muss ein Geist geherrscht haben, wie wir ihn in Gotthelfs «Geld und Geist» oder in «Ueli, der Pächter» antreffen.
 
Daneben hat er sich aber auch manches erlaubt, was sich junge Leute erlauben. Auf dem Schulweg rauchte er heimlich päckliweise seine Stumpen, kehrte wohl auch zu später Stunde nach Hause und musste, um die Eltern nicht zu wecken, über das stillstehende Mühlerad in seine Kammer klettern.


Privat

Noch während Rudolf Mingers Schulzeit Zeit kauften die vier ledigen Geschwister Niklaus, Jakob, Friedrich und Elisabeth Minger, Pächter auf der so genannten Herrschmatt zu Schüpfen, den heutigen Mingerhof aus der Erbschaft Vogt. Letztere war eines der damals reichsten Geschlechter von Schüpfen. Die Sophie Minger (die spätere Gattin von Minger) kam als Pflegekind zu ihren Verwandten nach Schüpfen.

Oft war Ruedi in Schüpfen zu Besuch. Mit der Zeit wurden die Verwandtenbesuche in Schüpfen immer häufiger. Grund dafür war sicher nicht zuletzt seine Kleincousine Sophie. Dazu kam noch ein weiterer Grund. In Schüpfen bestand die berechtigte Aussicht, Besitzer des grossen und schönen Hofes seiner Verwandten, der vier unverheirateten Geschwister Minger, zu werden. Das 13 km entfernte Schüpfen erreichte Rudolf an Sonntagen meistens zu Fuss (über Messen, Bittwil, Zimlisberg, Rapperswil, Wierezwil, Schüpfen).

Das Jahr 1906 brachte im Leben Rudolf Mingers eine bedeutende Wendung. Nachdem er sich an Ostern 1906 mit Sophie Minger, seiner Base zweiten Grades (sie hatten denselben Urgrossvater Adam Minger), verlobt hatte, verheiratete er sich mit ihr am 14. Juli des gleichen Jahres in der Kirche zu Schüpfen. Die Hochzeitsreise hatte das junge Paar nach Mailand geführt. Im Oktober des gleichen Jahres konnte Rudolf Minger den Hof der Geschwister Minger erwerben. Im darauf folgenden Frühling, zügelten die Mingers nach Schüpfen. Im Jahre 1908 wurde ihnen ihr erstes Kind geboren,  Klara Minger.

Zu seinem Vetter Fritz (Friedrich Minger) hatte er ein besonderes inniges Verhältnis. Vetter Fritz war, wie er selber sagte, „nume-ne-Pur, aber das bin i“. Für Minger war er einer der intelligentsten Männer die er kannte und dessen Rat er gerne einholte. Die Geselligkeit bedeutet Rudolf viel. Er suchte den Gedankenaustausch und den Umgang mit seinesgleichen. Schon mit 17 Jahren trat er dem Männerchor als Mitglied bei und im gleichen Alter nahm er mit Erfolg an einem Ausschiessen der Schützengesellschaft teil.

Als die Zeit kam und er zur militärischen Aushebung aufgeboten wurde, litt er unter Asthma  und prompt wurde er vorläufig vom Militärdienst dispensiert. Dieser Entscheid traf ihn sehr und er suchte einen Spezialarzt auf, welcher ihm Veltliner Wein verschrieb (nicht glasweise, sondern «Milchmelchtern“ voll wie er später lächelnd bemerkte). Und siehe da, nach einem Jahr war diese Krankheit praktisch verschwunden und er startete sein militärische Laufbahn.

Im Frühling 1910 kam der Sohn Rudolf II zur Welt. Seine Kinder waren ihm sehr zugetan, weil er, so oft es die Zeit erlaubte, sich mit ihnen beschäftigte und namentlich den Sohn bei den Arbeiten in Haus und Feld häufig um sich hatte. Er hat sie besonders auch auf die Wunder der Natur aufmerksam gemacht. Ein besonderer Anziehungspunkt für die Kinder war Papas Humor, den er sich später auch im politischen Leben bewahrt hat.

Wegen seiner militärischen Karriere konnte er seine natürliche Führerqualität noch festigen. Neben Militär und Beruf wagte er sich mit grossem Engagement auf die politische Bühne.

Am 28. September 1918 war es dann soweit: Die Bernische Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei wurde gegründet und Rudolf Minger wurde deren erster Präsident. Das Jahr 1929 brachte den absoluten Höhepunkt in Mingers politischer Karriere.
Im Dezember 1929 wurde er mit einem glänzenden Mehr in den Bundesrat gewählt. Somit zog Minger als erster waschechter Bauer in den Bundesrat.

Weil die Landesregierung Wohnsitz in Bern haben musste, zog er mit seiner Gattin am 1. Mai 1930 an die Choisystrasse 6 in Bern. In Schüpfen übernahm Fritz Marti aus Allmendingen das Regiment auf dem Mingerhof.

In Mülchi ging das Leben seit dem Wegzug Mingers auch weiter. Vorerst führte noch sein Vater den Hof. Seine ältere Schwester Ida verheiratete sich mit dem Bauern Fritz Kummer und das Ehepaar übernahm später «die Mühle» in Pacht. Nach dem tödlichen Unfall von Mingers Schwager führte seine Schwester Ida den Hof mit ihrem Cousin Rudolf Aeberhard alleine weiter. Später wurde der Hof an die Familie des Cousins verpachtet. Nach dem Tode seines Vaters übernahm Minger den Hof käuflich aus der Erbschaft.  

Nach abgeschlossener beruflicher Ausbildung heiratete sein Sohn Rudolf II die Bergbauerntochter Hedwig von Känel aus der Lenk und sie übernahmen zusammen den elterlichen Hof in Pacht. 1934 schenkten sie Minger seinen ersten Enkel, auch er wurde Rudolf getauft. Leider mussten sie feststellen, dass es mit der Gesundheit des Buben nicht gut stand, er litt an einem Herzfehler, woran er 1938 starb. 1936 kam die Enkelin Magdalena zur Welt.

Ruedi Mingers Tochter Klara heiratete anfangs der dreissiger Jahre den Industriellen Hans Sonderegger und zog zu ihm nach Heiden. Sie schenkte Ruedi Minger im Jahr 1937 seinen zweiten Enkel Hans. 1937 gebar sie dann eine Tochter namens Beatrice.

Rudolf Minger hatte schon am 1. September 1939, vor seinem Rücktritt aus dem Bundesrat, seine Wohnung in Bern an der Choisystrasse 6 verlassen und war nach Schüpfen zurückgekehrt. Mit 58 Jahren lernte er Auto fahren und begab sich täglich mit dem Auto nach Bern ins Bundeshaus. In Schüpfen wohnte er im „Stock“ neben dem Bauernhaus.  

Am 31. Dezember 1940 trat Minger aus dem Bundesrat zurück. Nachdem sein Sohn Rudolf II als junger Hauptmann während sechs Aktivdienstjahren an der Grenze stand, übernahm Minger zu Hause wieder das Zepter.

Jetzt wurde es allmählich etwas stiller um Minger, das heisst aber nicht, dass er die Hände in den Schoss legte. Im Gegenteil, jetzt erst recht konnte Minger seine ganze Kraft für den Bauernstand einsetzen, sei es auf dem eigenen Hof oder in der Landwirtschaftspolitik.  

In einer Februarnacht 1941 gebar seine Schwiegertochter ihr drittes Kind.
Die Eltern hatten den Namen Walter vorbestimmt. Einer der ersten Besucher am nächsten Morgen war Rudolf Minger. Er erklärte seiner Schwiegertochter: «Dieser Bub muss wieder Rudolf heissen.» Nach dem Motto «Dein Wunsch sei mir Befehl», wurde das Kind Rudolf III getauft.

1942 und 1944 wurden Ruedis letzte Enkel von Tochter Klara geboren. Die beiden Buben hiessen Fritz und Konrad.

Privat gab es da den alljährlich wiederkehrenden Fischertag im Mülchibach. Gross war immer wieder die Freude, wenn Minger sagte: «Packt die Sachen zusammen, heute gehen wir fischen.» Das Fischernetz wurde selten gebraucht, Papa machte jeweils nicht lange «Federlesens». Er zog Schuhe und Socken aus, krempelte die Hosenstosse herauf, und schon stand er, wie einst in jugendlichen Jahren, im Wasser und holte die Bachforellen mit blossen Händen unter den Steinen hervor.
Nach getaner Arbeit wurden die Fische dann bei einer Bekannten gebraten und   verspiesen.

Ruedi Minger war ein begeisterter Reiter. Sein Pferd „Myrta“ war ihm stets eine treue Begleiterin während seinem politischen und privaten Leben. Mit ihr nahm er auch jeweils an Militär-Defilées teil. Auch in der Landwirtschaft war sie ein zuverlässiges Zugpferd. Bis zuletzt wurde das Tier wöchentlich ein- bis zweimal ausgeritten.
Nach dem Tod ihres Herrn wurde „Myrta“ sehr traurig und müde. Zwei Jahre später starb sie im Alter von ca. 24 Jahren.

Jeden Morgen wurde  Punkt Sieben gefrühstückt.
Wahrend des Tages war Minger meistens abwesend. Eine Köchin besorgte den Haushalt im Stock. Gegessen wurde oft zusammen mit der Familie und den Angestellten an einem Tisch. Das war zu dieser Zeit noch lange nicht überall so.
Dass ein guter Geist im Hause Mingers herrschte, zeigte sich darin, dass sehr viel gesungen wurde, wie z.B. beim Geschirr abwaschen und das auch in «strengen» Zeiten.

Rudolf Minger war auch so genannter Verbindungsmann zwischen dem Ciba-Gut «les Barges» und der Direktion der Ciba Basel.  Häufig, wenn Minger diesem Gut einen Besuch abstattete,  wurde die Zugsreise mit einem Besuch bei Freund Henri Guisan,in Pully verbunden. Wenn er dann nach dem Abstecher bei Guisan auf dem CibaGut in Vouvry ankam, wurde er dort oft wie ein Staatsoberhaupt empfangen. Minger war immer der einfache, offene Bauer geblieben. Das grosse Drum und Dran wurde ihm immer wieder aufgezwungen.


Der Bauer

Schon früh, während seiner Schulzeit, merkten die Eltern von Rudolf Minger, dass ihr Sohn eine überdurchschnittliche Intelligenz besass und sie entschieden sich, ihn nach der Schule nach La Neuveville zu schicken. Zur Abklärung der Berufsfrage und zu einer allfälligen Vorbereitung auf das künftige Notariat begab sich Rudolf Minger im Frühling 1897 nach Neuenstadt, wo er in der dortigen Amtsschreiberei für ein Jahr Beschäftigung finden, sich in der französischen Sprache weiterbilden und, gemäss der Absicht des Vaters, Einblick in die bernischen Gesetze gewinnen sollte. Nach den verschiedenen Briefen vom jungen Rudolf an das Elternhaus ist zu entnehmen, dass es ihm im Büro, in den vier Wänden eingesperrt, gar nicht wohl war. Nach seinem einjährigen Aufenthalt in Neuenstadt ist Rudolf Minger kurz nach Mitte April 1898 wieder auf den elterlichen Hof zurückgekehrt und übernahm den Posten eines Karrers (Fuhrmann).  Er sollte und wollte Bauer werden. Die damalige bäuerliche Berufsbildung beschränkte sich zur Hauptsache auf die praktische Tätigkeit auf dem elterlichen Betrieb. Und doch blieb Rudolf Minger nicht ganz ohne theoretische Weiterbildung, er war ein eifriger Leser landwirtschaftlicher Fachzeitschriften.

Das Jahr 1906 brachte im Leben Rudolf Mingers eine bedeutende Wendung. Nach der Hochzeit mit Sophie Minger aus Schüpfen, erwarb er kurz darauf den Hof der Geschwister Minger, das Elternhaus seiner Frau. Im darauf folgenden Jahr im Frühling, zügelten die Mingers dann nach Schüpfen.

Der Hof umfasste 65 Jucharten Land und 23 Jucharten Wald. Fast die Hälfte der 65 Jucharten kamen unter den Pflug, der Viehzucht legte Minger weniger Gewicht zu. Grossen Wert mass er einem fortschrittlichen Obstbaumbestand bei. Mit Hingabe und Freude hat er auch seinen Bienenstand gepflegt.

Der kaum zu bändigende Tatendrang Mingers, etwas für seinen Stand zu tun, fiel in Schüpfen auf steinigen Boden, denn die herrschenden Geschlechter von Schüpfen hielten ihn, den Zugezogenen, von jeglichen Ämtern in der Gemeinde fern. Doch bei der damals noch schwachen landwirtschaftlichen Genossenschaft Schüpfen bemerkte man mehrheitlich bald  einmal Mingers Fähigkeiten und wählte ihn 1909 zum Präsidenten.

Im Jahr 1911 wurde Minger Mitglied des Vorstandes und der Verwaltungskommission des Verbandes Landwirtschaftlicher Genossenschaften von Bern und Umgebung (VLG). Durch seine militärische Karriere konnte er seine natürlichen Führerqualitäten festigen. Neben Militär und Beruf wagte er sich mit grossem Engagement auf die politische Bühne.

Am 28. September 1918 war es dann soweit: Die Bemische Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei wurde gegründet und Rudolf Minger wurde deren erster Präsident. 

1922 lernte Minger den damaligen Generalstabschef Roost kennen, unter dem er seine nachfolgenden Dienste leistete. Roost hatte ihm nahe gelegt, hauptberuflich in den Instruktionsdienst überzutreten. Tatsächlich befasste sich Minger Ende der 20er Jahre ernsthaft damit. Doch der plötzliche Hinschied von Bundesrat Scheurer und seine Wahl zu dessen Nachfolger setzten diesen Gedanken ein jähes Ende.

Im Jahr 1929 rief Minger die Schweizer Bauern zu einer Kundgebung auf den Bundesplatz auf, um die Forderungen des Bauernstandes für bessere Bezahlung ihrer Produkte zu unterstreichen. Die Demonstration war ein voller Erfolg.

Das Jahr 1929 brachte den absoluten Höhepunkt von Mingers politischer Karriere.
Im Dezember 1929 wurde er mit einem glänzenden Mehr in den Bundesrat gewählt. Somit zog Minger als erster waschechter Bauer in den Bundesrat.

Am 20. März 1933 übergab er den Hof an seinen Sohn Rudolf II.

In Schüpfen wohnte er ab dem 1. September 1939 wieder im „Stock“ neben dem Bauernhaus.

Am 31. Dezember 1940 trat Minger aus dem Bundesrat zurück und übernahm zu Hause, während der Aktivzeit seines Sohnes, wieder das Zepter auf dem Hof.

Jetzt wurde es allmählich etwas stiller um Minger, das heisst aber nicht, dass er die Hände in den Schoss legte. Im Gegenteil, jetzt erst recht konnte Minger seine ganze Kraft für den Bauernstand einsetzen, sei es auf dem eigenen Hof oder in der Landwirtschaftspolitik.

Von 1942 bis 1948 präsidierte Minger die Ökonomische und Gemeinnützige Gesellschaft (OGG) des Kantons Bern. Hier konnte er seine Vorliebe für die Landwirtschaft und den bemischen Bauernstand erneut betätigen.

Als Präsident des Anbauplanes setzte sich Minger im ganzen Lande ein, um dessen Ausführung durchzusetzen. Durch seinen unermüdlichen Einsatz für die Förderung des bäuerlichen Bildungswesens und als Präsident der Kommission für Berufsbildung brachte er es soweit, dass 1945 12 Landwirte der Schweiz die erste Meisterprüfung machten (man nannte sie auch die zwölf Auserlesenen).

Eine grosse Ehre war für ihn, als er an der 112. Stiftungsfeier der Uni Bern im November 1946 zum Ehrendoktor ernannt wurde. Im Lobspruch steht: „Dem bäuerlichen Magistraten, in Anerkennung seiner Verdienste um die Erhaltung eines gesunden Bauernstandes. Dem unermüdlichen Kämpfer, der durch seinen Einsatz für das landwirtschaftliche Bildungswesen, das Los der landwirtschaftlichen Hilfskräfte, das bäuerliche Standesethos, Wesentliches dazu beigetragen hat, einer drohenden Landflucht zu steuern. Dem Schollen verbundenen Hüter und Förderer einer heimattreuen Kultur.“

1951 dankte das Schweizervolk seinen Bauern für den harten Einsatz während des Aktivdienstes mit der Annahme des Landwirtschaftsgesetzes, dessen vorbereitende Kommission Minger präsidierte.

Ungefahr bis Ende der 40er Jahre wurde bei Minger das Gras noch mit der Sense gemäht und das Heugras mit der Pferdemähmaschine. Anfangs der 50er Jahre hielt die Motorisierung auch in der Landwirtschaft so richtig Einzug. Es gab zwar vereinzelt schon Traktoren. Auch bei Mingers wurde schon seit 1936 ein Bührer Traktor gefahren. Seine letzte maschinelle Anschaffung für den Hof war im Frühjahr 1955 das neuste und grösste Bührer-«Super»-Modell (gekauft beim damaligen Spahr Fritz junior). Ausgerüstet mit Zapfwelle, Hydraulik und sogar mit einem Frontlader. (Mingers vorheriger Traktor aus dem Jahr 1937 wurde an der Gedenkfeier 2005 in Schüpfen neu renoviert ausgestellt. Er gehört dem Museum Ballenberg und ist im Moment in Aarberg eingestellt)

Schon damals klappte die überbetriebliche Arbeit sehr gut. So war es nahe liegend, dass sein Sohn mit dem Bauer Hans Indermühle zusammenspannte und das Getreide von beiden Betrieben mähte und nachfolgend sämtliche Leute von beiden Betrieben Getreidegarben zu so genannten «Puppen» aufstellten.
Wenn die Ernte unter Dach war, war die Sache wieder für ein Jahr erledigt. Am Schluss wurde die wohlverdiente «Sichlete», meistens auf mehreren Betrieben am gleichen Abend, gefeiert.

Bis ins hohe Alter stand Rudolf Mingers körperliche, geistige und seelische Gesundheit im schönsten Gleichgewicht. Darum war sein Lebensabend auch so reich an wertvollen Früchten. Bis wenige Wochen vor seinem Hinschied blieb er aktiv. 


Lebensabend

Weil sein Sohn Rudolf II als junger Hauptmann während Jahren Aktivdienst leistete, übernahm Minger zu Hause wieder das Zepter. Wie das auch heute noch der Fall ist – verdiente hohe Politiker sind in der Privatwirtschaft beliebte Zugpferde. Auch bei Minger waren nach seinem Rücktritt Angebote verlockender Verwaltungsratssitze nicht ausgeblieben. Minger schlug diese Posten aus was zeigte, wie stark er seiner Ehrlichkeit und Gradlinigkeit treu blieb.

Bis ins hohe Alter war Rudolf Mingers körperlich, geistig und seelisch bei bester Gesundheit. Im Februar 1948 verstarb seine Gattin, Sophie Minger-Minger, die ihm jahrelang treu zur Seite stand.Damit Papa, wie Rudolf Minger von der ganzen Familie genannt wurde, nicht allein im Stock schlafen musste, wünschte er, dass sein Enkel Rudolf III sein Kinderbett im Bauernhaus mit demjenigen seiner verstorbenen Gattin tauschte. Während dieser Zeit erlebte sein Enkel, wie zwei Männer (die Rede ist von Minger und Henri Guisan) erzählten, wie sie mit mutigen, manchmal fast abenteuerlichen Entschlüssen wesentlich dazu beigetragen haben, unsere Schweiz vor, während und nach dem 2. Weltkrieg vor fremden Einflüssen zu bewahren. Und dies auch nach Mingers Rücktritt aus dem Bundesrat. So waren dann auch die häufigen Besuche des Generals in Schüpfen erklärbar. Die Presse konnte ja nicht ahnen, dass in der Bauernstube, jeweils unter vier Augen, Ideen entstanden und mutige Beschlüsse gefasst wurden, welche später als Befehle des Generals an die Truppe das Armeehauptquartier verliessen.

Auf dem Mingerhof machte sich im Frühjahr 1955 bei Rudolf Minger eine bösartige, heimtückische Leberkrankheit bemerkbar. Im Sommer litt Rudolf Minger immer mehr unter seiner Krankheit, konnte er fast keine Nahrung mehr zu sich nehmen und wurde dadurch immer schwächer. Einer Einladung seines besten Freundes General Guisan folgend, zeigte er sich ein letztes Mal der Öffentlichkeit am grossen Winzerfest in Vevey. Am 1. August 1955 versammelte sich die ganze Familie ein letztes Mal vor dem Stock mit alt-Bundesrat Rudolf Mingers. Er befahl, eine Flasche Champagner zu entkorken, damit er noch ein letztes Mal mit seinen Angehörigen auf das Wohl seines geliebten Vaterlandes anstossen könne. Nach diesem 1. August konnte er sein Krankenbett nicht mehr verlassen, und am 23. August 1955, vormittags um halb zehn Uhr, konnte er für immer einschlafen: «Ich kann und will mich nicht beklagen, sondern ich will meinem Schicksal dankbar sein; denn ich darf auf ein schönes, reiches Leben zurückblicken. Ich durfte viel wirken und dann und wann ist mir auch etwas richtig gelungen.»

Gemäss seinem letzten Wunsch bekam jeder Bürger, der an seine Beerdigung kam, ein «Zimis». Einen solchen Hochbetrieb hatten die Wirtschaften in Schüpfen vorher und nachher nicht gekannt. Als der Sarg beigesetzt war und General Guisan sich mit den Worten «Au revoir, mon ami» für immer verabschiedet hatte, waren die Wirtschaften schon alle besetzt. Es waren über 10'000 Personen, die vom «Zimis» profitierten. Einige machten sogar den Rundgang von einer Wirtschaft zur anderen. Gegen Abend entwickelte sich ein regelrechtes Volksfest. Wahrscheinlich wusste das Minger auch, und er wollte es so haben, als er diesen Wunsch äusserte.

Die «Neue Berner Zeitung» schrieb am 24. August: «Alt Bundesrat Dr. h. c. Rudolf Minger, während elf Jahren hochangesehenes Mitglied unserer obersten Landesbehörde, Bauernführer, schwungvoller Politiker, einflussreicher Wirtschafter, Soldat, Bürger und Mensch, hinterlasst eine nur schwer zu schliessende Lücke und ist vor allem aus dem Bild des schweizerischen Bauernlebens fast nicht wegzudenken. Sein Andenken bleibt unauslöschlich in den Herzen seiner Freunde und Zeitgenossen, wie auch sein Name einen Ehrenplatz in der Geschichte unseres Landes einnehmen wird.»

Das Leben ging weiter, und um den Mingerhof wurde es um einiges stiller. Jetzt kam die Epoche der Erinnerungen und Würdigungen.